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Geschäftsführer bei drohender Überschuldung im Risiko - Beginnende Krisen umsichtig gestalten, Haftungsrisiken vermeiden

Liebe Geschäftsfreunde, sehr geehrte Damen und Herren,

aus meiner Leidenschaft für gute Lösungen in Transformationsprozessen ist es mir ein besonderes Anliegen, Risiken für Geschäftsführer und Gesellschafter von einem vor- oder in einer Krise befindlichen Unternehmen aufzuzeigen und individuelle Lösungen gemeinsam zu erarbeiten.
Das COVID-19-Insolvenzaussetzunggesetz nach seiner Aktualisierung vom 25.9.2020 enthält zunächst die gute Nachricht für Kapitalgesellschaften, denen die Überschuldung droht: Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht aus diesem Grund endet erst am 31.12.2020, nicht schon am 31.10.2020. Offenkundig eine gute Nachricht für Unternehmen, denen die Überschuldung droht.

Diese Fristgewährung ist geeignet, Geschäftsführer und Unternehmer in falscher Sicherheit zu wiegen.

 

In den letzten Wochen haben umfängliche Gespräche mit Geschäftsführen offengelegt, dass wenig Kenntnis und noch weniger Sensibilität für persönliche Haftungsrisiken besteht. Daher nachfolgend einige erste Hinweise für Geschäftsführer und Gesellschafter für die Zeit bis zum 31.12.2020:
Weitgehend bekannt ist, dass für zahlungsunfähige Unternehmen seit 1.10.2020 wieder das bisherige Insolvenzrecht vor Corona gilt. Insolvenz muss also angemeldet werden, wenn das Unternehmen dauerhaft zahlungsunfähig ist. Unabhängig von den Gründen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist Absatz 2 des §1, der mit Wirkung ab 1.10.2020 angefügt wurde:

(2) Vom 1. Oktober 2020 bis zum 31. Dezember 2020 ist allein die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags wegen Überschuldung nach Maßgabe des Absatzes 1 ausgesetzt.

Aus dieser Änderung ergeben sich m.E. zwei Dinge, die dringend zu beachten sind:

1. Stand des Eigenkapitals per 31.12.2020 abschätzen

Unternehmen tun gut daran, bereits jetzt zu ergründen, ob eine Überschuldung zum 31.12.2020 droht. Für einen ersten Überblick sichte man den Stand des Eigenkapitals in der Bilanz per 31.12.2019. Erwartete Verluste des Geschäftsjahres 2020 sind gegenzurechnen. Wenn Sie unterjährige Ergebnisse regelmäßig erstellen und mit Planungsrechnung in die Zukunft blicken, können Sie schon jetzt ermitteln, ob es zum Jahresende eng werden wird. Wenn Sie es genau wissen müssen, ist eine Überschuldungsbilanz aufzustellen. Auf rechtzeitiges Erkennen kommt es an, damit eine drohende Überschuldung beseitigt werden kann oder ob ein Plan B greifen soll.
Kapitalstärkungsprozesse erfordern Zeit zu ihrer Konzeption und auch für ihre Umsetzung. Schon ihre Thematisierung zwingt Gesellschafter-Familie(n) zur gleichlautenden Wahrnehmung der Situation. Denn Einvernehmen ist erforderlich, wenn zusätzliche Mittel eingesetzt oder anderweitige Maßnahmen vereinbart werden sollen. Hierzu sind immer auch familiäre Konstellationen und Lebensplanungen einzubeziehen. Dies erfordert Raum und Zeit für Gespräche. Natürlich ist immer auch die Qualität des Geschäftsmodells zukunftsrelevant.

2. Betrugstatbestand nach § 253 StGB vermeiden

Wer Verträge eingeht, muss sie auch erfüllen. Kann ein Schuldner nicht bezahlen, kann sein Vertragspartner auf Erfüllung klagen. Ein Straftatbestand wird damit nicht begründet. Wenn er aber einen Vertrag eingeht, obwohl er zu diesem Zeitpunkt schon weiß, dass er seinen Teil des Vertrags nicht erfüllen will (oder kann), der täuscht seinen Geschäftspartner. Dieser Eingehungsbetrug steht unter Strafe. Es drohen bis zu fünf Jahre Haft oder eine Geldstrafe. Relevant wird dies für Bestellungen, deren Lieferung und Zahlung erst in weiter Ferne liegen, aber schon jetzt ausgelöst werden müssen. Dies ist beispielsweise im Anlagenbau oder bei Saisonbetrieben denkbar und immer auch bei Aufnahme von Krediten. Es besteht die Gefahr, sich strafbar zu machen, trotz allerbester Absicht, den Geschäftsbetrieb aufrechterhalten zu wollen. Meine Praxis kennt solche Fälle, die sich zur persönlichen Tragödie entwickelt haben – im Nachhinein.
Auch unter diesem Gesichtspunkt ist Transparenz bezüglich aktueller und v.a. künftiger Zahlungsströme erforderlich.
Wenn es eng wird, sind revolvierende Liquiditätsplanungen unabdingbar. Sie setzen Umsatz-, Kosten- und Ergebnisplanungen voraus. Am besten mit einem Horizont bis 31.12.2021. Das erfordert erfahrungsgemäß einen hinreichenden zeitlichen Vorlauf.

Hinzu kommt die menschliche Komponente:

Wie geht es einem Geschäftsführer, der eine schlechte Zukunftsprognose dem Gesellschafterkreis vorstellen muss? Viele erfahren: Eine Krise legt aufgrund unterschiedlicher Rollen und Rechtsstellungen teils diametral gegenläufige Interessenslagen offen. Neue Spannungsfelder öffnen sich gerade zu einer Zeit, wo man dringend zusammenhalten müsste.

Dauerstress verengt den Blick. In operativer Hektik stürzt man sich auf Einzelthemen oder Details ohne das Wesentliche zu erkennen. Für kundige Außenstehende sieht es manchmal so aus, als ob nicht der Geschäftsführer sondern ganze Führungsmannschaft den Überblick verliert. Es entspricht meiner langjährigen Erfahrung, dass der sprichwörtliche „kühle Kopf“ eigentlich nur von außerhalb kommen kann. Damit können neue Chancen und Konstellationen in den Blick geraten, die in Binnenperspektive nicht mal geahnt, geschweige denn konzipiert und gezielt eingeleitet werden können.

Eine Krise erfordert ein fachkundiges, interdisziplinäres Team, dem ein Fachanwalt für Insolvenzrecht angehören sollte. Unabdingbar und spätestens wenn es eng zu werden droht. Allein schon um persönliche Risiken der Verantwortlichen auszuschließen. Die Interessen und (verbrieften) Rechte von Stakeholdern (wie z.B. Banken und Factoring-Gesellschaften) sind zu berücksichtigen. Um die unterschiedlichen Interessenslagen zusammenzuführen neue Konstellationen in Kraft bringen, ist wichtige Aufgabe der externen Moderation der Beteiligten. Falsches Sparen an Beraterleistung könnte sich letztlich fatal auswirken.

Für Unternehmen in der Krise kommt es jetzt also darauf an, die Zeit gut zu nutzen.

Unternehmen, die gut vorbereitet sind, werden auch schwierige Wege gehen können. Transparenz und die Fähigkeit, auch eine problematische Lage anzuerkennen, sind wichtige Voraussetzungen. Kaufmännische Leitung, Geschäftsführung und Gesellschafter sind gleichermaßen gefordert. Die Verantwortung liegt vornehmlich bei der Geschäftsführung.

Für ein erstes, klärendes Gespräch stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung und freue mich auf Ihr Interesse. Rufen Sie mich an.


Ihr Ulrich Bretschneider